Doch viel zu sehen gab es für die neugierigen Mädchen nicht.
Lavendel flog über Thaliog hin und her und schien sich den kaputten Flügel genauer zu betrachten.
„Tja!“ zwitscherte sie mit ihrer Sopranstimme: „Das ist alles kein Problem, ich habe
alles hier. Thaliog, nun beiß die Zähnchen zusammen!“
Da musste die lustige Lore wieder kichern.
„Welche Zähne?! Er hat doch noch gar keine!“ Ihr verging allerdings ihr
Lachen, als sie den vorwurfsvollen und bösen Blick von Thaliog auffing.
„Schuldigung!“ murmelte sie leise und hielt sich ihr Händchen vor ihren vorlauten Mund.
Die Mädchen sahen es ihr an, dass sie sich nur schwer das Lachen verkneifen konnte.
Inzwischen hatte Lavendel, die eine Heilerin war aus ihrer Glockenblumentasche ein
kleines Gläschen entnommen, in dem etwas goldig schimmerte.
„Das sollte reichen!“ sagte sie und kippte den Inhalt der Flasche genau dahin,
wo das Loch in Thaliogs Flügel war.
„Au“ japste der kleine Drachen kurz auf und sah dann auf seinen Flügel. Kein
Loch mehr war darin, alles war wieder heil. Selbst als er mit dem Flügel wild
durch die Luft schlug… es änderte sich nichts, Thaliog war wieder gesund!
Ein Jauchzen ertönte und schon schoss Thaliog steil nach oben und vollführten tollkühne
Kunststückchen in der Luft. Er schraubte sich von unten nach oben bis in die Kuppelspitze
hinein um dann im nächsten Moment im Sturzflug herunterzukommen. Die Kinder schrien entsetzt
auf, sahen sie in Gedanken ihren kleinen Freund mit dem Kopf in der Erde stecken. Aber nein,
eine Krallenbreite über dem Boden flog Thaliog zur Seite weg und lachte über seinen Spaß. Er
konnte so gar nicht verstehen, dass niemand mit lachte. Er war eben das, was man auf Erden ein
Lausbub nennt. Seine Mutter seufzte nur und wiegte bedächtig den Kopf hin und her. Das war eben
das Leid aller Mütter, egal wo in dieser Welt. Verlegen setzte sich Thaliog dieses Mal auf die
Schulter von Trixi, denn diese stand am weitesten weg von seiner Mutter.
Nun nahmen die Kinder wieder die Eier in Anspruch, denn sie wollten von Goli weiter hören,
was es denn mit ihnen auf sich hat. Die Drachenmutter folgte den Kindern zu dem rosa Ei und sie erzählte weiter.
„Ja, auch Thaliog kam aus so einem Ei. Die Eier sind deshalb so groß, weil es vom Legen bis
zum Schlüpfen eines Drachenbabys zwei Jahre dauert. Und in diesen zwei Jahren sind die Babys
von der schützenden Eischale umgeben und schwimmen regelrecht in ihrer Nahrung. Sie müssen ja
kräftig werden, damit sie die Eierschale von innen aufgehackt bekommen.“
„Aber wie kann so ein kleiner Drachen ohne Zähne mit solch kleinen Krallen so ein großen Ei
alleine öffnen?“ unterbrach Wally die Ausführungen von Goliath.
Die anderen Mädchen nickten zustimmend, das wollten sie alle wissen.
„Oh, das ist recht einfach!“ tönte Golis Bassstimme durch die Kuppel. „Während die
Drachenbabys im Ei heranwachsen, wächst ihnen auch ein Zahn genau in der Mitte. Mit Hilfe
dieses Zahns, wir nennen ihn Eizahn, kann der kleine Drachen sein Ei von innen kaputt machen.
Natürlich helfe ich dann auch mal, nur ein ganz klein wenig, denn es sollte ja nicht sein. Ach ja, Thaliogs
Eierschalen waren in einem leuchtendem Hellgrün mit zartblauen Tupfern darauf. Ich habe die Schalen immer noch!“
Mama Goli wandte verlegen den Kopf zur Seite und Petra hätte schwören können, einen leichten roten
Schimmer im Drachengesicht erkannt zu haben. Die Kinder hätten zu gern diese Schalen von Thaliogs
Ei gesehen, aber sie waren zu rücksichtsvoll, um weitere Fragen zu Thaliogs Eierschalen zu stellen.
Also wandten sich die Kinder dem anderen Ei zu. Das Ei war bunt wie ein Regenbogen. Alle Farben
schlangen sich um das Ei.
„Was wird das denn, Goli?“ fragte schüchtern die kleine Trixi.
„Tja, Mädchen, wenn ich das wüsste. Ich hatte noch nie solch ein Ei. Es ist auch nicht von
mir. Eines Tages lag es vor meiner Kuppel, es war ein Brief dabei. Ich solle es gut hüten, zur
rechten Zeit wüsste ich schon, was ich damit machen soll.“ seufzte Goliath tief und die
Sorgenfalten standen ihr im Gesicht.
„Es ist schon sehr alt!“ sprach Goli weiter. „Aber bisher tat sich nichts. Ich weiß es
einfach nicht! Aber ich habe ja Platz genug, an mir soll es nicht liegen!“
Staunend sahen die Kinder dieses besondere Ei an, es schien auch etwas größer zu
sein, die Struktur auf der Eischale war auch anders, tiefer und ungleichmäßiger...
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