Dieses Ei lag bewegungslos da, es rührte sich nicht und ein Geräusch war
auch nicht zu hören. Also gingen die Kinder weiter und schauten sich alles in
der Kuppel an. Es war alles so bunt hier, Farben, die es in ihrem Waisenhaus
nicht gab. Alles war so groß, so licht, so schön, dass die Mädchen sich nicht
satt sehen konnten an all diesen wunderbaren Dingen.
Plötzlich kam wieder so ein niedliches kleines Mädchen herangeflogen. Sie
gestikulierte mit den dünnen Ärmchen und schaute Goli auf die Kinder zeigend
an. Und zack, war sie wieder hinausgeflogen.
„Wer war das?“ fragte Heika neugierig.
„Das war eine Baumfee, wir nennen sie Melli!“ piepste die Blütenfee Lavendel.
„Melanie ist meine liebe Schwester und eigentlich schon 77 Jahre alt“, erzählte
sie weiter. „Und sie hat gesagt, wir sollen alle ins Dorf kommen. Dort
werden wir schon erwartet!“
Also marschierten die Kinder Lavendel und Minihops hinterher, Thaliog war mit
dabei, er flatterte meist über ihnen. Er schien sehr glücklich darüber zu sein,
seine Flügel wieder einsetzen zu können. Nur Goli blieb zurück, sie meinte,
sie wolle später nachkommen. Und wieder ging es vorbei an diesen wunderschönen
und doch so fremdartigen Bäumen und Blumen entlang. Ob so das Paradies aussah,
von dem ihnen die nette Natee oft erzählte, wenn sie wieder mal im Waisenhaus
war um einige Puppen abzuliefern? Aber es war viel zu interessant und schön,
um weiter darüber nachzudenken. Es gab überall Neues und Schönes zu entdecken.
Da vorn war schon das Dörfchen mit seinen seltsamen und gar so anderen Häuschen. Es flogen
schon viele Elfenwesen dort herum, es hatte sich wohl herumgesprochen, dass Besuch da war.
Endlich angekommen, wurden die Mädchen von allen Seiten begrüßt und bestaunt. Es
schien so, als hätten einige der fliegenden Winzlinge noch nie Menschlinge gesehen.
Aber keines hatte Angst, im Gegenteil. Sie flogen auf die Köpfe und Schultern der
Mädchen, strichen mit ihren winzigen Händchen vorsichtig über die Gesichter oder Haare
der Kinder. Und dabei waren sie fröhlich, sie lachten, kicherten und einige tanzten
sogar in der Luft. So verloren auch die Waisen ihre Hemmungen und lachten mit den
lustigen Wesen zusammen. Da scheuchte eine energische kleine Frau alle anderen zur Seite.
„Lasst mich durch!“ rief sie resolut und bahnte sich einen Weg. Ehrfürchtig flogen die Elfen zur Seite.
„Willkommen in unserem Dörfchen, liebe Erdenkinder!“ sprach die Frau und breitete
ihre Arme dabei weit auseinander. „Ich habe von euren Taten gehört und möchte mich
für eure Hilfe bedanken! Ich habe euch ein Essen richten lassen, setzt euch dort hin und
esst euch satt!“ Während sie das sagte, zeigte sie auf einen großen Platz in der Mitte des Dörfchens.
„Ach ja, bitte nennt mich Daggi! Ich bin für dieses Dörfchen verantwortlich!“ Und nun stapfte sie
den Kindern voraus. Die Frau hatte die in etwa die Größe der Kinder, war aber schon lange den
Kinderschuhen entwachsen. Ihre Haut war voller Runzel, ihre Haare waren silbern und glänzten im
Licht ganz hell. Und wieder hatten die Mädchen Fragen, aber denen kam der kleine Thaliog zuvor.
„Das sein keine Elfe, das sein Zwergin, ganz liebe Zwergin. Daggi erzählt mis immer so söne
Gesichten. Daggi sein wie Omi für mis!“ Also war Daggi eine Zwergin, ja, wie eine Elfe sah sie
wirklich nicht aus. Aber ihr kluges Gesicht mit den noch immer klaren Augen wirkte sehr
sympathisch auf die Kinder. Und außerdem sah sie den Erdenbewohnern noch am ähnlichsten.
„Daggi ganz viel wissen! Daggi slau sein!“ flüsterte Thaliog weiter.
Und so bekamen die Mädchen ihre Antworten, ohne die Fragen dazu jemals gestellt zu haben.
Nun kamen sie an, es war ein riesiger runder Tisch aufgestellt und ringsherum standen viele
kleine Hocker. Die Kinder setzten sich darauf und warteten gespannt auf das Kommende. Zwischen
jedem Kind war auf dem Tisch ein kleiner Klotz, auf dem die Elfenwesen, sowie auch das
Elfienchen Platz nahmen. Thaliog wollte unbedingt bei Hermine sitzen und diese freute sich
sehr darüber. Nun klatschte Daggi in ihre abgearbeiteten Hände und schon flog wie im Märchen
Essen durch die Luft. Erst beim Abstellen sahen die Kinder, dass das Essen nicht von allein
flog, sondern getragen wurde von kleinen blauen Jungs mit fast durchscheinenden Flügeln. Die
Jungs waren noch kleiner als die Elfen, sahen aber lustig aus wegen ihrer blauen Haut.
„Das sein Bibis, kleine Wesen, die reisen durss die Welten. Wollen immer so viel lernen.
Iss mag sie!“ flüsterte Thaliog Hermine ins Ohr, die es den anderen Kindern weiter sagte...
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