Da schoss auch schon der kleine Thaliog durch das offene Fenster.

Er flog von einem Kind zum anderen und jedes umarmte er mit seinen Flügeln.

„Ihr dürft miss niss vergessen, sonst iss niss mehr da. Is vermisse euss

jetzt son!“ weinte der kleine Kerl schon wieder. Doch plötzlich packte

ihn von hinten seine Mutter mit einer ihrer Krallen und zog ihn hinaus.

Als die Kinder hinaus sahen, war es stockdunkel, nur da und dort blitzte

ein Stern auf. Der Mond wurde von einer dicken Wolke verdeckt. Goliath und

Thaliog aber waren nirgends mehr zu sehen, so sehr die Mädchen auch schauten.

Beherzt schloss Giesi das Fenster und ging als erste auf ihre Matratze und

legte sich hin. Stumm taten dann alle Mädchen es Giesi nach. Keines mochte

ein Wort sagen, alle waren in Gedanken noch bei Goliath, den Elfen, der Zwergin

und vor allem dem kleinen Thaliog. Es war ein so schönes, aber auch

wundersames Erlebnis gewesen, dass die Gedanken der Kinder sich noch

immer nur um das Erlebte kreisten. Und so schliefen sie nacheinander unbemerkt ein.

Plötzlich ging die Tür zum Schlafsaal auf und die Heimleiterin kam herein.

Es war ungewöhnlich, dass noch alle tief und fest schliefen. Daher

klatschte sie sacht in die Hände und rief:

„Einen wunderschönen guten Morgen, meine Lieblinge. Kommt, steht auf, heute ist der Heilige Abend!“

Noch völlig müde richteten sich Jutta und Giesi auf. Sie starrten erst einander an,

sagten jedoch nur leise: „Guten Morgen, Mama Syt!“

Nach und nach kamen auch die anderen Mädchen hoch.

„Hopp, hopp Mädchen, ab in den Waschraum. Eure Schüsseln stehen schon fertig

da. Weil heute der Heilige Abend ist, gibt es ausnahmsweise warmes Wasser!“ rief Syt

noch im Umdrehen und lief die Treppe hinunter. Die Mädchen wussten nicht so recht,

wie sie sich verhalten sollten. Einigen war es, als hätten sie geträumt. So still

und ruhig wie noch nie gingen sie in ihren Waschraum und tatsächlich stieg aus jeder

der Waschschüsseln leichter Dampf nach oben. Fix machten sich die Mädchen fertig und

gingen dann in den Aufenthaltsraum, der zugleich Essensaal war. Der Tisch wurde

schnell gedeckt und dann konnte gefrühstückt werden. Misstrauisch beäugten sich die

Kinder und dann kam ein Flüstern auf. Dann endlich stand fest, dass alle dasselbe

Erlebnis hatten, also konnte es kein Traum gewesen sein. Und nun wurde es lauter

beim Frühstück, so dass die Heimleiterin einschreiten musste. Sie ermahnte die

Mädchen zu essen und danach können sie erzählen, so viel sie wollten.





Endlich waren Frühstück und Abwasch geschafft, nun stürzten alle auf Mama

Syt zu. Jedes Kind wollte ihr erzählen, was sie in der letzten Nacht

erlebt hatten. Doch bei so vielen Stimmchen verstand Mama

Syt gar nichts. Endlich gelang es der rothaarigen frechen Petra die Oberhand

zu gewinnen und sie fing an, von dem kleinen Drachen, der sich verletzt und verflogen

hatte zu erzählen. Mama Syt schmunzelte nur dazu und nickte. Auch als Hermine dann dazwischen

rief, dass sie Thaliog zu Goliath gebracht hätten, veränderte sich das Verhalten der

Heimleiterin nicht. Die Mädchen erzählten ihr alles, was sie erlebten, jedes konnte noch

etwas dazu beitragen. Und Mama Syt hörte geduldig zu und schmunzelte nur. Aber als Trudi dann

meinte, dass Mama Syt doch auch eine Elfe gewesen sei, da lachte die Leiterin gutmütig.

„Mädels, ihr habt eine tolle Fantasie, ihr habt euch ein feines Märchen ausgedacht!“

Die Kinder aber behaupteten weiterhin, dass das alles wahr sei. An diesem Vormittag

wurde nicht gespielt, es wurde nur erzählt, doch Mama Syt schien das alles

nicht zu glauben. Doch diese kam auf eine gute Idee.

„Was meint ihr, wollen wir das alles aufschreiben und daraus eine

Weihnachtsgeschichte für das nächste Jahr machen?“

„Au jaa!“ riefen die Mädchen im Chor und wollten am liebsten

gleich anfangen. Aber dagegen war Mama Syt, sie meinte, dass nun erst

der Tannenbaum hereingeholt und geschmückt werden müsse, damit er am

Abend im Lichterglanz erstrahlt. Doch in diesem Moment klopfte es an die

Tür. Mama Syt ging zur Eingangstür um zu öffnen. Lauschend standen die

Kinder an der Tür um zu hören, wer denn da gekommen ist. Doch es drang nichts

an die neugierigen Öhrchen der Waisenkinder. Nach einer ganzen Weile wurde die

Tür von außen geöffnet und Mama Syt betrat den Aufenthaltsraum. Ihr hinterher kam…

„Onkel Max!“ rief Reni, rannte auf den Mann zu und umarmte ihn stürmisch. Sie

weinte vor Freude, dass ihr geliebter Onkel heute gekommen war...




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